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Kappnaht
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Arten und Tipps zur
Verarbeitung
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Kappnähte sind das Mittel der Wahl, wenn man robuste Stoffverbindungen
benötigt. Daher findet man sie insbesondere an Zelten, Tarps, aber auch
an besonders strapazierfähiger Bekleidung.
Mit z.T. eigenen Wortschöpfungen
unterscheide ich folgende Formen der
Kappnaht:
- die einfache,
- die grobe,
- die doppelte,
- die industrielle.
Die einfache
Kappnaht
Zwei Stofflagen mit einer ersten Steppnaht und jeweils 1 cm Nahtzugabe
zusammengenäht, ...
... aufgeklappt, ...
... die Nahtzugaben (normalerweise 1 cm) auf links zu einer Seite
umgeklappt und parallel zur ersten Naht mit einer zweiten Steppnaht am
Stoff festgenäht. Das mache ich meistens von rechts, da ich dann etwas
exakter arbeiten kann. Diese Art der Kappnaht ist bereits sehr stabil
und insbesondere für beschichtete Stoffe geeignet, da diese
normalerweise nicht an der Schnittkante ausfasern können. Ich habe sie
bereits oft bei Anoraks und Regenhosen eingesetzt.
Der Pfeil in den Grafiken und den Fotos von den Rückseiten zeigt immer
auf eine besonders belastete Steppnaht, wenn beide Stofflagen
auseinander gezogen werden. Insbesondere bei sehr dünnen Stoffen können
sich hier bei Zug die Nadellöcher weiten.
Diese Seite sitzt später auf links und ...
... diese Seite auf rechts, ist also die normal sichtbare.
Nähte an Anoraks oder Regenhosen können gut auf links mit Seamtape und
Bügeleisen getaped werden. Hier Seamtape für Stoffoberflächen. Für
beschichtete Oberflächen wird ein Kunststoffband benutzt.
Die grobe Kappnaht
(von mir einfach so benannt)
Bei dieser Kappnaht werden wieder zwei Stofflagen mit einer ersten
Steppnaht, diesmal mit jeweils 2 cm Nahtzugabe zusammengenäht, ...
... dann aufgeklappt, ...
... beide Nahtzugaben gemeinsam zur
Hälfte umgeklappt, ...
... die jetzt noch 1 cm breite Nahtzugabe zur Umklappseite hin auf den
Stoff geklappt und mit einer zweiten Steppnaht knappkantig festgenäht.
Ich nenne dies immer immer "Rolle". Bei Tarps und Zelten arbeite ich
so, dass diese Rolle später innen, also links liegt, denn die andere
Seite ist besser zu versiegeln und ich versiegele immer auf rechts,
also außen. Die Stofflagen liegen dann am Anfang rechts auf rechts.
Diese Kappnaht ist simpel zu fertigen, äußerst robust und die
Schnittkanten können nicht ausfasern. Man kann sie auch bei Tarps oder
Zelten einsetzen. Allerdings trägt die "Rolle" mit ihren fünf Lagen
Stoff etwas stärker aufträgt. Bei dickeren Stoffen ist das gut
sichtbar, daher "grob".
Die Seite mit der "Rolle" und ...
... und die andere Seite. Diese ist besser zu versiegeln.
Die doppelte
Kappnaht
Diese Stoffverbindung wird bei stark belasteten Nähten eingesetzt. Sie
ist etwas aufwändiger in der Fertigung. Ich nutze dazu die von Ray
Jardine in seinem ersten Tarp Book beschriebene Methode. Die Stofflagen
liegen wieder rechts auf rechts. Die untere hat auf rechts an ihrer
Kante eine 1 cm breite Markierung, die obere auf links eine 1 cm breite
Markierung.
Die Kante der oberen Stofflage wird an die Markierung der unteren
Stoffkante gelegt und beide Stofflagen entlang der 1 cm Markierung auf
der oberen Stofflage mit einer ersten Steppnaht zusammengenäht und ...
... aufgklappt. Die rechte Stoffseite liegt nun unten, die linke oben.
Die breitere Nahtzugabe wird nun über die schmalere geklappt, fasst sie
sozusagen ein.
Beide Nahtzugaben werden nun zusammen auf den Stoff geklappt und dort
knappkantig wieder als "Rolle" festgenäht. Diese Kappnaht ist
insbesondere für Tarps und Zelte geeignet. Auch bei Rucksäcken habe ich
sie bereits eingesetzt. Ausfasern ist auch hier nicht möglich.
Auch hier wieder die Seite mit der "Rolle" und ...
... und die andere Seite. Welche Seite man später auf rechts haben
will, muss man sich also vorher gut überlegen. Bezüglich Versiegeln
gilt das zuvor gesagte.
Auf eine zu berücksichtigende Besonderheit der doppelten Kappnaht
möchte ich hinweisen: Sie ist asymetrisch! Angenommen die Stofflagen in
obigen Beispiel sind gleich breit, dann ist die schwarze Stofflage nach
dem Nähen von Naht 1 einen Zentimeter schmaler als die rote Stofflage.
Verstärkt wird die Asymetrie optisch noch dadurch, dass die "Rolle" auf
die rote Stofflage geklappt wird. Daran sollte man bei der Anfertigung
des Schnittmusters denken.
Die
Industrie-Doppel-Kappnaht (auch von mir so benannt)
Dies ist m.E. irgendwie die Königin der Kappnähte. Die Stofflagen
werden quasi ineinander "verhakt" und mit zwei Nähten fixiert. Solche
Nähte habe ich bereits gesehen, aber noch nicht selbst eingesetzt da
etwas komplizierter. Was eine entsprechende Industrienähmaschine
vermutlich in einem Rutsch leistet, ist für den MYOGer schwieriger
umzusetzen. Diese Kappnaht dürfte m.E. aber die robusteste Verbindung
sein, da die Steppnähte Zuglasten recht gleichmäßig verteilen.
Nach einigem Überlegen habe ich an einem Probestück nachfolgende
Vorgehensweise getestet, die mir erfolgversprechend erscheint. Bei 1 cm
Nahtzugabe werden die Stoffteile 1 cm übereinander gelegt und in der
Mitte mit einer Steppnaht fixiert. Dafür wird vorher auf dem roten Teil
1 cm von der Kante eine Markierung mit Schneiderkreide o.ä. angebracht.
Die Fixiernaht (1) wird genäht. Gut zu
sehen: Die erste Markierung.
Die fertige Fixiernaht. Die zweite Markierung ist auch schon
angezeichnet.
Vor dem nächsten Schritt wird auf dem roten Stoff eine weitere 1 cm
breite Markierung parallel zur ersten aufgebracht (kann man auch schon
beim ersten Schritt mit machen) und dann der Stoff so umgeklappt, dass
die neu entstehende Kante genau an der zweiten Markierung verläuft.
Mit einer zweiten Steppnaht wird die "Rolle" nun knappkantig angenäht,
dann das Werkstück umgedreht und mit einer dritten Naht die "Rolle" in
gleicher Weise auf der anderen Seite angenäht. Diese Verfahren ist zwar
etwas aufwändiger, aber das Ergebnis rechtfertigt wohl bei sorgfältiger
Ausführung diesen Aufwand allemal.
Naht (2) wird genäht. Hier nur aus
Nähgewohnheit gedreht.
Naht (3) wird genäht.
Diese Kappnaht erkennt man daran, dass die beiden Nähte (2) und (3)
sowohl auf der Vorderseite und auf der Rückseite so zu sehen sind.
Hier diese Kappnaht noch einmal im Schnitt. Man erkennt, wie die
Stoffteile ineinander verschränkt sind. Diese Art Kappnaht ist m.E.
zumindest für MYOGer nur bei geraden oder nur ganz leicht gebogenen
Kanten anwendbar.
Bei der Anwendung von Kappnähten
beachten:
- Bei
ausfasernden Stoffen nur dann die einfache Kappnaht wählen, wenn die
Schnittkanten extra versäubert (z.B. mit ZickZack-Stich) oder
versiegelt werden.
- Beim
Aufnähen der "Rolle" diese so flach wie möglich streichen. Je flacher,
des so besser ist später die Lastverteilung zwischen den Steppnähten.
- Beim
Aufnähen der "Rolle" unbedingt auf ihr bleiben. Perforationen des
daneben liegenden Gewebes schwächen dieses.
- Bei
Zelten und Tarps sollte die "Rolle" auf links liegen, da die Kappnaht
dann wirksamer und einfacher von außen zu versiegeln ist.
- Bei
einfachen Kappnähten vor dem Versiegeln der Nähte (z.B. bei Anoraks)
vorher überschüssiges Material der Nahtzugabe sauber abschneiden. So
sind die Haftflächen des Seamtape links und rechts neben der Naht etwas
breiter, die Naht wirkt etwas eleganter und ist etwas flexibler.
- Eine
Kappnaht wirkt auch stark durch ihre Optik. Die beiden Steppnähte
sollte daher gleichmäßig parallel laufen. Also sich beim Nähen der
zweiten Naht an der ersten orientieren und lieber langsam nähen.
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