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Bothy-Bag
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Ein Dach über dem Kopf für mal eben so
zwischen durch ...
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Eine Bothy ist eine meist sehr einfache Schutzhütte im
schottischen Hochland, in der Menschen Schutz vor der Witterung finden
und sogar übernachten können. Oft sind sie recht massiv aus
örtlichen Natursteinen gebaut.
Findige Leute, die in etwas extremeren Gegenden unterwegs sind, kamen
irgendwann auf die Idee, sich so etwas Nützliches zum Mitnehmen zu
schaffen und so entstanden schließlich die Bothy-Bags aus
wasserdichtem Leichtstoff - etwas mehr als ein Windsack und etwas
weniger als ein Zelt.
Claudia und ich wollten von Mitte August bis in den September mehrere
Wochen mit Kindern (11 und 13 Jahre alt) im schwedischen Fjäll
unterwegs sein. Wir kennen die Gegend und wissen, dass immer und auch
überraschend mit richtigem Schietwetter zu rechnen ist. Damit wir
auch dann einigermaßen geschützt rasten können, kam
Claudia auf die Idee, ein Bothy-Bag mitzunehmen. Aber auch als Notzelt,
wenn ein schneller Aufbau unserer Zelte nicht mehr möglich sein
sollte.
Ich hatte noch einige Meter Silnylon in Signalfarbe und
so bot sich MYOG an. Die Maße habe ich bei professionellen
Herstellern angelehnt, bzw. bei mir abgenommen. Das Ganze sollte so
einfach wie möglich gestaltet werden und mündete in einen
unten offenen Quader für 4 Personen von 180 cm Länge, 120
cm Breite und 90 cm (meine Sitz-)Höhe.
Konstruktiv wollte ich so wenig belastete (Längs-/Querzug beim
Aufspannen oder durch Wind) Nähte wie möglich haben.
Letztlich wurden es nur drei derartige Nähte: Eine durchgehende
Längsnaht in der Mitte, zwei Quernähte oben an den
Schmalseiten - alle als doppelte Kappnaht ausgeführt.
Das simple Design machte auch einen einfachen Schnitt mit optimaler
Materialnutzung möglich.
Für Belüftung und Sicht nach außen sollten
ursprünglich vier verschließbare kleinere Öffnungen an
den Längsseiten sorgen. Aus konstruktiven Gründen wurde es
dann nur noch eine große an einer Längsseite. Die
Ausführung ist einfach: Ein abgedeckter, mit Klettband
verschließbarer Schlitz, der mittels einer kleinen Stange
aufgespreizt werden kann.
An den Stirnseiten sind innen ca. 60 cm breite Bodenstreifen (Reste aus
dem Zuschnitt) angenäht. Sie sorgen für, dass der Bothy-Bag
bei stärkerem Wind nicht wegfliegt und der Hintern bei Nässe
trocken bleibt. Für einen problemlosen Einstieg von 4 Personen
sind sie an den Längsseiten der Bodenstreifen nur zur Hälfte
angenäht. Diese Stoffstreifen können jedoch mittels leichter
Handschuhhaken an den Längsseiten fixiert werden. An den freien
Seiten der Streifen sind Tunnel angenäht, ebenso an den noch
freien Bereichen der Längsseiten. Durch die 4 Tunnel läuft
eine dünne Schnur mit 2 Tankas an diagonalen Ecken. Bei Bedarf
(z.B. Sturm) kann man damit den Bothy-Bag noch etwas besser anpassen.
Der Bothy-Bag wird normalerweise von den darin sitzenden Personen
aufgespannt. Claudia schlug vor, an den Ecken oben und unten noch
Schlaufen für Leinen und Häringe anzubringen. So kann man bei
starkem Wind den Bag mit Häringen am Boden fixieren oder mit
Trekkingstöcken o.ä. sogar ein Notzelt für max. vier
Personen aufbauen.
Alle Nähte wurden von außen mit Silikon versiegelt und mit
Talkum abgepudert. So klebt später im Transportbeutel nichts
zusammen. Der Bothy-Bag findet in einem kleinen Beutel aus dem gleichen
Material Platz und wiegt komplett mit Beutel und bereits versiegelten
Nähten 532 g.
Materialbedarf ca.:
- 6,2 lfm Silnylon
- 4,0 m Leine
- 0,6 m Gurtband 10 mm
- 0,5 m Klettband
- 3 Handschuhhaken
- 3 Tankas
- 4 Einschlagösen
- Nähgarn
- SilNet
Kosten: ca. 70 € da hochwertiges
Silnylon. Geht auch preiswerter.
Das Teil soll in besonderen Situationen einfach nur Schutz bieten und
so einigermaßen erholsame Pausen ermöglichen. Selbst Kochen
mit dem Trangia dürfte darin möglich sein sowie
geschütztes Umziehen der Kleinen nach einem unfreiwilligen Bad
beim Waten. Im Fall der Fälle kann es sogar als Notzelt dienen.
Nutzung:
Benötigte Rucksäcke in die Mitte stellen, drum herum stellen
(die beiden längsten Personen je an eine Schmalseite!), Bothy-Bag
über die Köpfe ziehen, Stirnseite A setzt sich dann folgt die
Stirnseite B. Das Shelter wird dann mit den Oberkörpern und
Köpfen (nicht brachial!!!) gespannt.
Sofern das Teil mit Trekkingstöcken aufgestellt sein sollte
einfach einen der Eckhäringe rausziehen und drunter kriechen.
Funzt selbst bei nicht mehr so beweglichen Leuten.
Einfach mal "Bothy-Bag" bei You Tube eingeben. Da findet man jede Menge
Anwendungsbeispiele.
Na ja, ein Ausbund an Schönheit ist mein Bothy-Bag wahrlich nicht.
Ein reiner Zweckbau halt.
Oben und in der Mitte der Stirnseite erkennt man die durchgehende
Längsnaht. Weniger gut zu erkennen ist eine der beiden
Quernähte an der Stirnseite von einer der oberen Ecken zur
anderen.
Der Zuschnitt erfolgt in zwei Hälften. Dann wird bei jeder
Hälfte die Stirnseite an das Dach genäht und
anschließend werden beide Hälften mit der durchgehenden
Längsnaht zusammengenäht. Ringsum an der Unterkante einen 2
cm Tunnelsaum nähen (z.T. für Schnur). Nicht vergessen,
vorher die Durchlassösen für
die Trimmschnur an der Innenseite des späteren Tunnels jeweils ca.
60 cm von den Stirnseiten einzuschlagen (Einschlagstelle
verstärken!).
Jetzt aus jeweils zwei Reststücken vom Zuschnitt die Bodensteifen
zusammennähen, an einer Längsseite und den Schmalseiten
schmal säumen. An der verbleibenden Längseite einen 2
cm Tunnelsaum (für Schnur) nähen. Bodenstreifen annähen
- die Schmalseiten jeweils nur zur Hälfte. Die Tunnelsäume
zeigen zur Mitte des Bothy-Bags!
Jetzt Schnur einziehen, Haken und Ringe annähen, Tankas an Schnur
(zwei Ecken diagonal) anbringen und Schlaufen an den Ecken oben und
unten auf die Kappnähte nähen.
Hier erkennt man auch gut die Aufbaumöglichkeit mittels
Trekkingstöcken o.ä. Die Lüftung an der Längsseite
ist mittels Klettband geschlossen. Die unteren Ecken sind mit
Häringen fixiert. An der anderen Längsseite ist keine
Lüftung. Bei Nutzung zeigt möglichst eine Schmalseite zum
Wind und die Seite mit der Lüftung ist leicht abgewandt.
Geschlossene Lüftung.
Geöffnete Lüftung. Die Öffnung wird durch einen ca. 15
cm langen Stab offen gehalten. Dieser ist in Stoff eingenäht und
mittels Klett befestigt. Die Lüftung ist von innen bedienbar.
Sofern der Wind nicht gerade drauf steht, dürfte es nicht
reinregnen.
Die Lüftung wird als letzter Arbeitsgang gefertigt. Sitz des
Lüftungsschlitzes anzeichnen (Permanentmarker, ca. 50 cm lang,
mittig, ca. 75 cm parallel zum unteren Rand. Als Verstärkung
über den Schlitz eine ca. 54 cm langen und 4 cm breiten
Stoffstreifen kleben (bei Silnylon mit SilNet oder Silikonkleber). Die
Enden des angezeichneten Schlitzes mit ca. 3 mm Locheisen lochen
(besser gegen Weiterreißen als einfacher Schnitt). Jetzt
Abdeckklappe zuschneiden und nähen. Sie sollte im geschlossenen
Zustand mindestens 5 cm über den Schlitz reichen. An einer
Längsseite und den Schmalseiten säumen, an der Innenseite
Klettband annähen und mit der ungesäumten Seite über dem
Schlitz so annähen, dass die Verstärkung verdeckt ist. Unter
dem Schlitz passend Flauschband annähen. Zuletzt wird ein
passender Schlauch für den 15 cm Spreizstab genäht, der Stab
eingeschoben und der Schlauch an einem Ende mit Klett- und am anderen
Ende mit Flauschband verschlossen. Erst jetzt wird der Schlitz entlang
der Markierung von einem Stanzloch zum anderen aufgeschnitten und dann
der Spreizstab montiert.
In einem letzten Arbeitsgang werden dann die Nähte von außen
mit auf sämige Viskosität verdünntem (Waschbenzin)
SilNet versiegelt. So läuft die Versiegelung schön in die
Nähte und Feuchtigkeit kann gar nicht erst eindringen. Die
Siegelstellen werden später noch mit Talkum abgepudert. So kann im
Packbeutel nicht zusammenkleben. Der Bothy-Bag ist fertig.
Aufgespreizte Lüftungsöffnung von innen.
Die Befestigung des Bodenstreifens mittels Handschuhhaken/Plastikring
an den Längsseiten des Bothy-Bags. Man erkennt auch die durch die
vier Tunnel laufende Trimmschnur und ganz schwach eine der
Einschlagösen. Die Trimmschnur ist mittels Tanka erstellbar.
Hier sieht man einen nur zur Hälfte seiner Schmalseite innen an
den Schmalseiten des Bothy-Bags angenähten Stoffstreifen. Er dient
als Bodenschutz und zur Fixierung des Bothy-Bags bei Wind mittels des
Körpergewichts. Hätte ich die Stoffstreifen ganz
angenäht, wäre die Einstiegsöffnung für vier
Personen recht klein gewesen.
Nachtrag 08.09.2014:
So, die Fjälltour mit Bothy-Bag ist gelaufen.
Das Teil wird bei Wind, Kälte und wohl auch Schnee genau das
leisten, wofür es gedacht: Es ist ein ausgezeichnetes
Notfallshelter!
Die Nutzung bei Regen ist grenzwertig. Wenn man mit nassen Klamotten
darunter schlüpft sitzt man mit 4 Personen nach einiger Zeit in
einem Dampfbad.
Es ist auch nur für Personen geeignet, die längere Zeit auf
dem Boden sitzen können. Dabei sollte man den Rucksack auf dem
Rücken behalten oder in den Rücken stellen. Der Rücken
könnte bei Kälte sonst zu kalt werden.
Vier Personen finden komfortabel Platz. Ich würde den Bothy-Bag
allerdings künftig 10 cm schmaler machen. Ansonsten hat alles
funktioniert, wie es sollte.
Das Teil ist m.E. insgesamt eher etwas für extremere Touren.
Für "normale" Trekkingtouren ist es doch etwas "überpowered".
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